So ähnlich muss man sich das mit der Evaluation der Corona-Maßnahmen der Bundesregierung vorstellen. Oder auf Normaldeutsch: Mit der Überprüfung der Arbeit des Corona-Regimes. Diese Evaluation nämlich wurde im Infektionsschutzgesetz § 5 Absatz 9 verbindlich festgelegt.
Damals wollte die Regierung Kritiker beruhigen und die tiefen Einschnitte ins Grundgesetz kaschieren mit solch einer ins Gesetz hineingeschriebenen Selbstkontrolle.
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Aber nun rückt der Termin immer näher, das Ergebnis der Evaluierung muss in wenigen Tagen vorgelegt werden, der Fall von Pandemie-Saigon steht unmittelbar bevor, die Evakuierungshubschrauber stehen schon bereit oder so ähnlich. Versuche, unter anderem vom Bundesgesundheitsminister Lauterbach selbst, den Termin einfach zu verschieben, scheiterten.
Und dann trat auch noch der mittlerweile von Kritikern als „Staatsvirologe“ betrachtete Christian Drosten aus der Kommission aus, die § 9 Absatz 5 bis zum 30. Juni erfüllen will.
Es erschien dem Charité-Virologen wohl selbst zu lächerlich, einer Kommission anzugehören, die ausgerechnet jene Entscheidungen überprüfen soll, die er selbst zuvor den Regierenden souffliert hatte.
Oder die Anwesenheit des Virologen-Kollegen Prof. Hendrik Streeck machte Drosten richtig nervös. Denn Streeck scheint alles andere als gewillt, den Maßnahmen rückblickend ein wohlwollendes Okay zu geben, erste Vorentwürfe zur Evaluation sickerten durch, die Sache könnte dem polit-medizinischen Komplex in der Hand explodieren.
Und Streeck hat womöglich noch eine Rechnung offen, denn seine als Heinsberg-Studie bekannt gewordenen Erhebungen wurden auf dem Gipfelpunkt der Welle der drostschen Pandemie-Deutungshoheit niederkartätscht.
Wir sagen übrigens „polit-medizinischer Komplex“, weil sich der polit-mediale gerade in Auflösung befindet, die Medien verlassen das sinkende Schiff und jetzt zieht auch noch der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach.
Exemplarisch hierfür ist die ZDF-Sendung „berlin-direkt“ vom 12. Juni 2022. Das öffentlich-rechtliche Zwangsgebührenfernsehen hatte sich zuletzt besonders in der Pandemie-Berichterstattung den Ruf als Regierungsfernsehen eingehandelt, nun rudern sie mit Blick auf den gesetzlich vorgeschriebenen Tag der Wahrheit hektisch zurück.
Sogar Alice Weidel von der AfD darf jetzt als Opposition ihre Meinung sagen, ohne dass sie dafür anschließend oder gleich vornherein auf die übliche Art und Weise dämlich weggebrandmarkt würde – eine kleine Zeitenwende in der Berichterstattung.
Hier der ZDF-Beitrag mit dem Titel „Fehlende Daten über Coronamaßnahmen - Warum Deutschland im Nebel stochert“, transkribiert und ungekürzt:
Sprecherin: Shutdown in Deutschland, Stillstand. Der Staat greift tief in die Grundrechte. Ein Leben retten auf der einen Seite, Schaden anrichten auf der anderen. Stimmte die Verhältnismäßigkeit? Bald kommt wieder ein Herbst 2022. Und wieder die Frage: Welche Maßnahme ist geeignet, welche angemessen?
Prof. Anna-Bettina Kaiser (HU Berlin): Schon bei der ersten Prüfung “Stufe der Geeignetheit” muss nämlich der Gesetzgeber belegen, dass die von ihm getroffene Maßnahme auch wirklich wirksam ist. Und das muss er mit naturwissenschaftlichen Daten belegen.
Sprecherin: Doch eben diese Daten gibt es in Deutschland kaum, meist nur aus dem Ausland. Das weiß der Expertinnen-/Expertenrat der Bundesregierung und kritisiert es auch. Trotzdem gibt der Rat am vergangenen Mittwoch Empfehlungen für den Herbst. Schließt auch einen Shutdown nicht aus.
Prof. Heyo Kroemer (Charité – Universitätsmedizin Berlin): In der ungünstigsten Variante, die da beschrieben war, wäre bei einem ungünstigsten Verlauf wahrscheinlich auch eine Beschränkung in diesem Sinne denkbar. Wir halten es im Moment nicht für besonders wahrscheinlich.
Sprecherin: Gab es Fehler in der Vergangenheit? Das Urteil so milde, wie es nur sein kann.
Prof. Christian Karagiannidis (Uni Witten/Herdecke): Auch Herr Spahn und die Vorgängerregierung haben wirklich gute Sachen gemacht. Herr Lauterbach führt viele Sachen jetzt auch gut fort. Es ist nicht gut, nach hinten zu schauen.
Sprecherin: Blickt man trotzdem zurück, fehlen Studien, Dokumentationen. Bislang wurde das auch nicht aufgeholt. Der Bundesgesundheitsminister, der wissenschaftbasierte Politik beim Amtsantritt versprach, verspricht jetzt, Daten technisch nachzurüsten.
Karl Lauterbach (SPD): Wir bereiten derzeit die Erfassung der Daten in den Krankenhäusern vor. Der Vorschlag, den der Expertenrat hier macht, dieses Instrument, dem ist zu nutzen. Genau dieser Vorschlag wird seit einigen Monaten auch bei mir im Haus vorbereitet und die technischen Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.
Sprecherin: Auf Hochtouren im dritten Jahr der Pandemie.
Alice Weidel (AfD): Also erst mal muss man konstatieren, dass es schon ein Skandal ist, dass man nach drei Jahren überhaupt gar keine belastbaren Zahlen hat. Denn Sie brauchen doch Zahlen, Daten, Fakten, um solche Maßnahmen in irgendeiner Art und Weise überhaupt zu rechtfertigen.
Amira Mohamed Ali (Die Linke): Wie das jetzt drei Jahre lang gelaufen ist, das einfach mit dem Holzhammer Maßnahmen verhängt worden sind. Alles zu, alles auf, oder ich sag mal, auch nach der Frage, welche stärkste Lobby sich da politisch durchsetzen kann. Das muss wirklich aufhören, das kann man nicht mehr den Menschen vermitteln.
Sprecherin: Neben dem Expertenrat gibt es einen sogenannten Sachverständigen-Ausschuss, der bis zum 30. Juni ein Gutachten vorlegen soll, sozusagen ein Covid-Maßnahmen-Zeugnis. Die Mitglieder des Ausschusses übrigens ein Drittel Juristen, bis vor zehn Tagen kein einziger Epidemiologe, dieser Ausschuss soll die Auswirkungen der Regelung und die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen untersuchen. Doch auch im Ausschuss mangelnde Daten aus Deutschland. Kaum Personal, kein Geld. Da fragt sich selbst der Vorsitzende: Ist der Ausschuss auf dem falschen Gleis? Schon vor Veröffentlichung des Gutachtens politischer Streit. Die FDP will die Ergebnisse abwarten. Die Grünen wollen jetzt Maßnahmen für den Herbst festlegen.
Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen): Die Feuerwehr fängt auch nicht an, erst die Schläuche aufzurollen und die Feuerwache zu bauen, wenn dann der Brand im Gange ist, sondern sorgt vor. Das muss Politik auch im Management tun.
Marco Buschmann (FDP): Wir bremsen überhaupt nicht. Wir haben ja einen Fahrplan für das gesamte Jahr im Frühjahr festgelegt. Am 30. Juni kommt die Evaluierung vom gesetzlich eingesetzten Gremium. Und dann werden wir über den Sommer das auswerten und können nach der Sommerpause in einem ganz geordneten Gesetzgebungsverfahren dann die Konsequenzen beschließen.
Sprecherin: Das aktuelle Infektionsschutzgesetz gilt bis zum 23. September. Es sollte reformiert werden, auch auf Grundlage ausgewerteter Daten. Doch es gibt keine Systematik und irgendwie auch keine Verantwortung. Es ist die politische Geschichte von Datenlöchern und unsicheren Aussichten. Wie schützt man die Bevölkerung? Was aber schadet ihr? Es gibt mehr Fragen als Antworten.
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